Billy & Felix ~ Auf der Flucht
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Re: Billy & Felix ~ Auf der Flucht
von Jamie am 25.09.2021 21:01Ich spürte, dass der Gedanke zur Polizei zu gehen ihm Unbehagen bereitete – umso besser war es wohl, dass ich es bereits ausgeschlossen hatte; seine Erleichterung sprach dabei Bände. Doch dahinter steckte noch sehr viel mehr. Ich konnte es nicht so klar lesen wie ich es wohl gern gewollt hätte, aber ich spürte deutlich, dass da noch etwas wahr – und bereitete mir ein schlechtes Gefühl; meine Nackenhaare stellten sich mir auf und ich bekam eine leichte Gänsehaut. Als fürchtete ich mich vor etwas...doch ich wusste nicht, was mir solche Angst einjagte. Denn immerhin handelte es sich dabei nicht um meine Gefühle. Ein Teil von mir meinte, dass ich wohl unbedingt besser darin werden musste, solche Dinge zu können, besser einzuschätzen und zu ergründen lernen musste. Doch wie trainierte man solche Dinge? Ich schüttelte leicht den Kopf. Gar nicht wichtig in diesem Augenblick.
Ich war umso glücklicher, dass ich seine Stimmung wieder etwas ändern und aufhellen konnte, indem ich meine Hilfe anbot – mehr oder weniger noch bevor ich überhaupt viel dazu gesagt hatte, denn, auch wenn ich nicht ganz wusste, was es wohl gewesen sein mochte, wirkte er etwas erleichtert, etwas fröhlicher.
„Ich...", begann ich schließlich. „Überhaupt kein Problem." Wirklich nicht. Ich musste mich zwar sehr beherrschen, den Gedanken abzuschütteln, sowieso nicht viel ausrichten zu können – ein Teenager, ohne sein Team und mit Kräften, mit denen er selbst nicht klarkam, die er nicht ergründen konnte und von denen er keinen blassen Schimmer hatte, wie sie überhaupt funktionierten und wie man sie kontrollieren könnte, allein irgendwo in einer Kleinstadt in Kanada –, doch irgendetwas konnte man immer tun! Und sogar meine Gedanken konnten ohne Punkt und Komma an mir vorbeiziehen wie ich wieder einmal feststellen musste. „Wirklich, du musst mir nicht danken." Die Worte fühlten sich irgendwie ungleich arrogant auf meiner Zunge an und ich hatte sie erst einmal etwas durchkauen müssen, ehe ich sie hatte aussprechen können. Ich wollte nicht, dass er sich bedankte – nicht, weil es für mich selbstverständlich war, jemandem zu helfen, der diese Hilfe brauchte (ich hatte vielleicht einen kleinen Heldenkomplex), jedenfalls war das nicht nur mein Gedanke, sondern ich wollte es nicht, weil...weil ich mir nicht sicher war, wie gut ich überhaupt etwas ausrichten konnte, und ich wollte bei dieser Sache keinesfalls wie jemand besonderes wirken. Ich hatte nur etwas Geld in der Tasche und ich würde ihm etwas kaufen können, doch ich wusste nicht, ob ich ihm auch nachhaltig helfen konnte – und das wurmte mich sehr. Und noch schlimmer wurde das, weil immer wieder diese Welle der Hoffnung auf mich überschwappte und mich selbst in ein Hochgefühl hüllte, das mir ganz und gar unangenehm war - es bereitete mir Bauchschmerzen und schnürte mir die Kehle zu. Deshalb ging ich schweigend neben ihm her und beobachtete ihn nur, während er sich um sein Kind kümmerte. Ab und an sah er sich um und ich konnte es ihm nicht verdenken, doch ich würde sagen, dass wir sicher waren – bei jedem, der uns entgegen kam, von den wenigen, die das an diesem frühen Morgen taten, überkam mich zuerst ein Hauch ihrer Gefühle. Und bisher war keiner von ihnen annähernd feindlich gesinnt. Ich nahm das als positives Zeichen – immerhin diese Hürde war erst einmal für ihn überwunden. Wie lange...das musste sich allerdings noch zeigen.
Einige Zeit später hatten wir den kleinen Supermarkt erreicht, der in einer Seitenstraße gelegen war. Ich bot ihm an, mich zu begleiten, doch am Ende kamen wir darin überein, dass es besser wäre, wenn er hier draußen wartete – und ich kam nicht umhin, den Gedanken zu teilen, denn hier draußen wäre er sehr viel mobiler als er es noch wäre, wenn er einmal den Laden betreten hatte. Wenn uns hier draußen jemand auflauern sollte, so könnte er sich erst einmal unauffällig entfernen, in eine weitere Seitenstraße. Ich ging davon aus, dass er an so etwas gedacht hatte. Oder hatte nicht gewollt, dass sein Kind im Laden zu sehr quengelte.
Einen Moment später trat ich ins Warme des Ladens. Die Tür gab einen Piepton von sich, ich nickte der Kassiererin mit einem leichten Lächeln zu, sie erwiderte es mit einer Handgeste, ehe sie sich wieder ihrer Zeitschrift widmete. Noch nicht viel los wie es schien. Ich verzog mich zwischen die hinteren Regale. Nachdenklich ging ich auf und ab. Ich hatte keine Ahnung, womit ich ihm am besten helfen könnte...Ein paar Brötchen zum Essen? Ein paar Flaschen Wasser? Ich streckte meine Hand mal hiernach und mal danach aus, doch ich geriet immer wieder ins Zögern, zog den Arm wieder zurück, überdachte die Entscheidung noch einmal. Ich knabberte an meinem Fingernagel. Wenn ich in meinem Anzug unterwegs war mit den anderen aus der Truppe, mit den Young Avengers, dann wusste ich immer, was zu tun war. Ich hatte eine Aufgabe, die galt es zu bewältigen. Alles war so eindeutig. Hier...hatte ich keine Ahnung, was ich tun sollte – und es hing das Leben von zwei Menschen daran, die in den Untiefen der Geschichte verloren gehen würde, wenn ich nicht hier wäre...Doch wieso war ich hier? Und wieso war es so schwer, einfach irgendetwas zu kaufen?!
Autsch! Ich hatte mir in das empfindliche Nagelbett gebissen. Kurz lutschte ich an der Fingerspitze, ein wenig Blut trat hervor. Shit! Aber immerhin war ich wieder da und ich war wieder wach, zurückgekehrt aus den Tiefen meiner kreisenden und erstickenden Gedanken. Ich schnappte mir eine Packung Brot und einen Sechser kleiner Wasserflaschen. Rasch ging ich durch die Regale wieder zurück, doch dann...ich zögerte einen Augenblick. Was war denn mit dem Kleinen? Ich hatte gar nichts für ihn, schon allein, weil ich gar nicht wusste, wie und womit man ihn versorgen konnte, wie Felix das anstellte. Und da war es...Brei. War das eine gute Idee? Ich wusste es nicht. Am Ende war es wohl egal, oder? Wenn ich es kaufte, dann hatte ich es eben, wenn nicht...vielleicht würde es dann im entscheidenden Moment fehlen, nicht? Und so schnappte ich mir einfach ein Glas und hoffte, dass das Geld reichen würde, als ich es auf den Tresen warf. Die Verkäuferin musterte mich, dann lächelte sie. Sie schien von Grund auf freundlich, wenn auch sehr abwesend mit ihrer Zeitschrift. Vielleicht war sie auch einfach nur froh, dass es endlich einmal jemanden gab, der etwas kaufen wollte, ein Kunde da war, den sie bedienen konnte. Sie kassierte ab – und war dabei so entspannt wie sonst wohl niemand bei der Arbeit. Leicht auf den Fußballen wippend sah ich ihr ungeduldig dabei zu. Immer wieder warf ich einen Blick durch die Glasfassade nach draußen zu dem Fremden. Er war noch da und hatte eine Hand bei seinem Kind, beruhigte es, nahm ich an, denn er sah immer wieder zu ihm herunter.
„...50..." Ein seltsamer Hall in der Ferne. „Hallo? Junger Mann? 4,50 macht das...Hallo?" Ich schüttelte leicht den Kopf, nachdem der Sinn ihrer Worte endlich zu mir durchgedrungen war. „Oh...ich...Achso." Ich lächelte entschuldigend, ehe ich hastig in meiner Tasche nach dem Geld kramte. Es dauerte etwas...aber dann hatte ich es! Ich warf es auf den Kassentresen, ehe ich es nachzählte...es fehlten noch zwanzig. Scheiße! Ich biss mir auf die Lippe. „Hören Sie, es ist wichtig...ich brauche das unbedingt..." Sie lächelte nicht mehr. „Wir sind nicht die Wohlfahrt kleiner." Sie baute sich auf, doch dann...brach sie wieder zusammen und sah sich um. „Aber weil du so ein Niedlicher bist, schenke ich dir die zwanzig. Aber...los!" Sie deutete auf den Ausgang, ehe sie wieder nach hinten sah. Vermutlich saß ihr Chef irgendwo und dem war es sicher nicht recht, dass sie einfach auf Geld verzichtete. Erstaunlich, denn ansonsten schien er sich nicht dara zu stören, dass sie auf der Arbeit Zeitschriften las und am Handy war. Doch mich sollte das als letzten belasten. Also packte ich alles rasch zusammen. „Danke", sagte ich und sprang zur Tür. „Danke!", rief ich noch einmal über die Schulter, als ich wieder auf die Straße stürzte, die...leer war. Ich sah mich um. Ich fühlte mich wie im falschen Film. War er nicht noch eben...?! "Felix?!", raunte ich, doch ich schien weit und breit der einzige zu sein.
Felix
Gelöschter Benutzer
Re: Billy & Felix ~ Auf der Flucht
von Felix am 28.09.2021 11:50Schon wieder wollte Felix sich wirklich inständig und aus tiefster Seele bedanken, biss sich aber grade noch rechtzeitig auf die Zunge. Zumindest, bis seine neue Bekanntschaft (hatte er ihn eigentlich schon nach seinem Namen gefragt? Hatte er ihn ihm gesagt? Ja? Nein? Felix konnte sich grade echt nicht dran erinnern...), verkündete, dass er sich nicht bedanken müsse. "Doch.", widersprach Felix sogleich und hielt trotz seiner erschöpften Muskulatur gt mit dem jungen Mann Schritt, Max dabei beruhigend an die Brust gedrückt. Hoffentlich blieb er noch ein wenig leise, hoffentlich hielt sein kleiner Junge noch ein wenig durch. Ein durch die Müdigkeit schwaches Lächeln zuckte über seine Lippen, als er zu seinem unverhofften Helfer blickte. "Hilfe ist trotz allem nicht selbstverständlich und es ist wichig, sich selbst für kleine Dinge zu bedanken - erst recht bei solchen Großen." Die Engel pflegten den Respekt voreinander inklusive der Zuneigung zueinander sehr hoch. Immerhin wurde der Friede der Engel durch Sex miteinander geteilt und welch innigere Verbindung (jetzt von familiären Banden, erst recht Zwillingsbanden) mal abgesehen, konnte es geben? Nein, es war gut und richtig sich zu bedanken. Auch wenn Felix - bisher weitestgehend erfolglos - versuchte sich vom Glauben der Aetherianer loszusagen, so spielten die engel doch noch immer eine sehr große Rolle in seinem Leben und er konnte nicht anders als viele ihrer Gesetzte, vieles was sie wollten zu befolgen. Selbst vor den Stimulantien konnte er sich ja nicht erwehren, sie immer mal wieder zu ergreifen... obwohl er wusste, dass er das wirklich nicht sollte, obwohl er den Absturz nach dem Hoch nur allzu gut kannte und dennoch.... konnte nicht anders.
So in Gedanken versunken hatten sie ein gutes Stück zurückgelegt, bis sich irgendwo aus dem Off seiner Gedanken, ganz am Rande seines Bewusstseins, wieder die Frage einschlich, die ihn eben schon beschäftigt hatte. "Wie heißt mein Retter eigentlich?", fragte er somit, schwach lächelnd und sah erneut zu dem jungen Mann. "Tut mir leid, wenn du mir das bereits gesagt hast, ich..." Er wandte sich um um zum wiederholten Male sicher zu gehen, dass sie über die Straße noch nicht verfolgt wurden, noch nirgendwo bekannte oder fremde Aetherianer zu sehen waren. "...ich bin müde und... etwas abgelenkt." Die Warhehti war wohl, dass er innerlich nach wie vor vor Furcht schrie und am liebsten seinen Sprint-Marathon fortgesetzt hätte - wenn er nur noch genügend Kraft und Ressourcen dafür gehabt hätte. Was er nicht hatte.
Er hasste es, auf der Flucht zu sein...
Nach einer gefühlten Drei-Tage-Wanderung (die in der Realität wohl eher einer halben Stunde entsprach), waren sie in der kleinen Stadt - oder wahrscheinlich traf es Dorf besser - angekommen. Max hatte sich wieder etwas beruhigt, hatte die Augen aber offen und starrte aus seinen großen unschuldigen blauen Augen in der Weltgeschichte herum, während er gleichzeitig in Erfahrung zu bringen wollen schien, wie viele seiner kleinen Finger er gleichzeitig in seinen Mund stopfen konnte.
Felix fühlte sich unwohl dabei, alleine auf der Straße vor dem Supermarkt darauf zu warten, bis Billy vom Einkauf zurückkehrte - andererseits hatte er auch recht gehabt. Bily würde in dem Laden weit weniger auffallen als Felix. Und die Aetherianer würden den Einwohnern bei ihrer Suche sicher Fragen stellen und Felix konnte es sich nicht leisten, erkannt zu werden. Nein, auf keinen Fall.
Da kam die Panik wieder. Und die Panik zog sich in die Länge je länger Billy in dem Geschäft verweilte. Was wenn er sich doch in seinem Helfer getäuscht hatte? Wenn er gar kein Helfer war sondern grade jetzt die Aetherianer informierte, dass Felix unvorberietet war, wo er stand, ahnungslos. Oder er war geflohen oder - nochs chlimmer - die Aetherianer waren bereits da und hatten ihn als seinen Helfer entlarvt und geschnappt oder dergleichen. Obwohl... taten die Aetheriander so etwas? Sie ahtten ihn damals aus dem Waisenhaus geholt, aber das war ja nochmal etwas anderes gewesen udn keine Entführung. Nein. Nein, Entführung würden die Engel nicht tolerieren, Billy würde sicher sein.
...hoffte Felix inständig.
Und dann erfasste sein unruhiger Blick der ununterbrochen die Straßen auf und abzuckte, eine Gestalt. Unwillkürlich stolperte Felix zurück, Max gab einen erstickten üebrraschten Laut von sich und fast schon etwas überstürzt drängte sich Felix um die Ecke, stieß dabei fast gegen einen großen metallenen Mülleimer, der genug Lärm gemacht hätte, um die ganze Nachbarschaft aufzuschrecken. Vorsichtig spähte Felix um die Ecke. Er konnte die Gestaltnoch nicht deutlich erkennen, aber sie kam näher. Nein, es waren mehrere. Vier oder fünf. Das Herz schlug ihm in der Kehle.
Und dann erkannte er ihnen von ihnen. Ohne dass er es wollte löste sich ein leises ersticktes Stöhnen aus seiner Kehle.
Ilian.
Sie hatten Ilian mitgebracht. Ilian Thygold. Sein bester Freund Ilian. Ilian, der zu ihm gestanden hatte, Ilian, der einzige mti dem der Sex keine einzige Qual gewesen war, Ilian, der für ihn da gewesen war, ihn nicht an der Flucht gehindert, ja sogar ein wenig geholfen hatte, Ilian, sein Kontakt bei den Aetherianern, der ihn noch weiter heimlich mit den Stimulantien versorgt hatte.
Es war eine Strafe dass er hier war, das war Felix sofort klar. Eine Strafe für sie beide. Sie wurden gezwungen gegeneinander zu spielen. Felix' Beine fühlten sich an, als hätten sich die Muskelfasern in Gummi verwandelt. Sie konnten ihn nicht mehr halten. So leise es ihm möglich war glitt er hinter die große Mülltonne, lehnte sich mit dem Rücken an die dreckige dunkle Seitenwand des Supermarkts, dabei halb im Unrat sitzend der irgendwann einmal an dem Mülleimer vorbeigeworfen worden war, und weinte stumm. Max dabei haltend, betend dass er leise sein möge, betend, dass Ilian ihn nicht hören, möge, betend dass... dass...
Felix? Felix?!
Das war Billys Stimme und einen Moment glaubte der Gerufene, er müsste an seinem eigenen Herz in der Kehle ersticken, so hoch schlug es ihm. Er konnte nicht antworten. Es war unmöglich. Die Gewissheit, dass die Aetherianer nun aufmerksam würden, dass sie zu ihm gehen, ihn befragen und er verraten würde, dass sie nun wüssten, wo genau er war... sie war zu groß.
...bis ihm nach einer gefühlten Ewigkeit einfiel, dass er jetzt ein Mann war. Die Aetherianer suchten nach einer Frau mit blonden Haaren (lang oder kurz - sicher rechneten sie damit, dass er sie wegen des Dämons in ihm abgeschnitten hatte, so wie früher. Oder?), die auf den Namen Daina hörte. Oder hatte Ilian ausgepackt? Felix wusste, wie... überzeugend die Aetherianer sein konnten. Es war nicht weit hergeholt, dass Ilian ihnen Informationen weitergegageben hatte. Wie viel wussten sie??!
Er glaubte vor Angst und Panik sich übergeben, innerlich zusammenzubrechen und gleichzeitig alle Knochen verlieren zu müssen. Irgendwie stand er wieder, ihm war so schwindelig dass er noch nichtmal die Hauptstraße richtig erkennen konnte. Sein körper befand sich an den Grenzen des Möglichen, sämtliche Energiereserven waren von der Panik endgültig aufgebraucht, er stolperte zur Seite und der Müllcontainer schepperte, dann gegen die Wand, dann fiel er auf die Knie, konnte nur Max noch mit einem Arm davon abhalten, zu Boden zu fallen, indem er ihn an die Brust drückte. Tränen rannen ihm in den Bart. Der 'Verrat' seines besten Freundes - oder vielmehr der Gedanke, was ihm dafür womöglich angetan worden war - war schlimmes als alles andere.
Eine schemenhafte Gestalt trat auf ihn zu und als Felix hochblinzelte, im ersten Moment in rasender Panik nur glaubend, dass es Ilian war, der ihn nun packte, erkannte er Billy. "Sie sind hier", whisperte Felix. Es war ihm nicht möglich die Stimme zu haben. Sie zitterte. Er zitterte. "Sie sind hier.."
Und dann noch leiser - nur für sich. "Er ist hier..."
Er fiel.
Re: Billy & Felix ~ Auf der Flucht
von Jamie am 06.11.2021 01:13Ich konnte seinen Gedankengang ja bestens verstehen – mir ginge es an seiner Stelle sicher nicht anders. Selbst in meinem eigenen Alltag war ich anderen immer wieder ewig dankbar...und konnte dann auch nicht anders, als es auch genauso auszudrücken. Ich könnte es auch nicht mit mir vereinen, es nicht zu tun und es so stehen zu lassen – viel zu sehr hätte ich Angst, dass der andere dann gar nicht wüsste, dass ich das alles ganz und gar nicht für selbstständig hielt und ihm inständig dankbar war. Nein, man sollte mich um Gottes Willen nicht für arrogant halten, indem ich mich zu wenig bedankte.
Deshalb konnte ich mich nur wenig beherrschen, lächelte ganz leicht vor mich hin, als er mich noch einmal zu überzeugen versuchte – und ich ließ ihn natürlich schweigend gewähren.
Und so ging ich schweigend neben ihm her, warf ihm immer wieder einen Blick zu, während ich gleichzeitig versuchte, mich auch richtig an den Weg zu erinnern, den ich mir bereits hatte im Gedächtnis behalten wollen, als ich das erste Mal durch die Stadt unterwegs gewesen war. Und ich betrachtete auch immer wieder das Kind an einer Brust. Im Moment schien es noch still, doch ich hatte irgendwie auch das Gefühl, dass es sich der Lage bewusst war, in der sein Vater sich befand und nicht noch mehr Ärger bereiten wollte. Doch das konnte auch nur so eine Empfindung sein – denn wahre Gedanken konnte man bei Kindern nicht aufgreifen, sondern es handelte sich bei den Vorgängen in ihrem Geist immer eher um einen bunten Wirbel aus Farben und Lichtern...immer lebendig und immer interessant. Doch in diesem scheinbar undurchsichtigen und zusammenhangslosen Durcheinander schwangen am Ende doch immer Gefühle mit – auf ihre ganz eigene Weise. Sie waren mit den von Erwachsenen nicht zu vergleichen, eher rudimentär, wenig komplex und dennoch nicht richtig greifbar. Und doch zeigten sie mir immer wieder, dass Kinder die Welt sogar noch sehr viel klarer und ehrlicher wahrnahmen als wir es vermochten – und das sogar schon in einem sehr jungen Alter. Sie waren nicht gelenkt von Vorurteilen und die Prägungen der Elternhäuser verleibten sie sich nur langsam ein; sie waren als im allerechtesten Wortsinne neutral und weltoffen.
Als er mir dann allerdings eine Frage stellte, sah ich etwas verwirrt auf. Ich konnte auch nicht sagen, ob er mir seinen Namen bereits verraten hatte oder ich ihn nur in seinem Geist aufgeschnappt hatte. Denn wenn ich einmal ehrlich war, schien er eine große Rolle zu spielen – auf einer Weise, die mir selbst noch schleierhaft war, doch er schwang immer mit, wenn es um ihn und seine Persönlichkeit ging. Nicht wie bei mir, sondern eher, als wäre er jemand anderes...oder jedenfalls einmal an einer anderen Stelle gewesen. Aber ich wollte gar nicht so sehr darüber nachdenken. Das war an dieser Stelle auch nicht wichtig.
Ich nickte schließlich leicht. „Das ist überhaupt kein Problem", erklärte ich mit einem beruhigenden Lächeln. „Du kannst mich ruhig Billy nennen."
Als wir schließlich den Supermarkt erreicht hatten, huschte ich schnell nach drinnen, um die eine oder andere Sache für die beiden zu besorgen, damit sie wenigstens kurzzeitig etwas zur Hand hatten. Ich hatte Glück und ich konnte wenigstens das ohne große Probleme über die Bühne bringen – und so stand ich nach kurzer Zeit bereits wieder auf der Straße, nachdem ich aus der automatischen Glastür wieder in die Kälte getreten war. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie warm es drinnen gewesen war – doch jetzt kribbelt mir die Nasenspitze und fühlte sich taub an und meine Ohren schmerzten durch den plötzlichen Temperaturunterschied. Aber ich machte mir nichts daraus, denn ich war allein auf der Straße! Ich hatte Felix zwar gebeten, etwas in Deckung zu gehen, vor allem, wenn ihm etwas Verdächtiges auffiel, doch nun schien er unauffindbar!
Ich geriet in Panik. Was wenn...?! Aber diesen Gedanken wollte ich gar nicht erst zu Ende bringen! Stattdessen ging ich leicht auf und ab – und dann sah ich sie: Menschen waren auf der Straße und wenn ich um den Fremden, dem ich gerade helfen wollte, nicht gewusst hätte, so wären sie mir trotzdem seltsam vorgekommen. Sie gehörten einfach nicht hier her. Allerdings konnte ich nicht richtig einschätzen, ob es sich dabei nicht um meinen feinen Sinn für das Verborgene handelte oder um den schlichten gesunden Menschenverstand. Aber auch das war an dieser Stelle nicht von Belang. Stattdessen machte ich mich – jetzt noch nervöser und verängstigt – auf die Suche nach den beiden Schützlingen.
Ich zischte seinen Namen in der Hoffnung, dass er mich doch irgendwie hören würde können – und beinahe zeitglich...war war das? Es schepperte in einer kleinen Gasse um die Ecke. Mit einem vorsichtigen Blick über die Schulter mahnte ich mich zur Vorsicht, besann mich aber zeitgleich darauf, dass ich auch ohne mein buntes Kostüm Großes bewirken konnte – und ich solchen Gefahren nicht das erste Mal zu bestehen hatte! Und so ging ich dem Geräusch nach – und fand die beiden zusammengekauert in einer Ecke.
In seinen Gedanken herrschte pures Chaos und ich musste den Blickkontakt für einen Moment abbrechen, um das Durcheinander, das es meinem eigenen Kopf auslöste, etwas dämpfen zu können. Dann räusperte ich mich und setzte ein bestimmtes Gesicht auf. „Sie werden euch nicht finden!", erklärte ich selbstbewusst – und hoffte inständig, dass er mich nicht zu schnell durchschaute und somit erkannte, wie viel Muffensausen mir das Ganze eigentlich bereitete. Daheim in New York hatte ich immer jemanden hinter mir – jemand, der mir den Rücken freihielt, doch an dieser Stelle war ich ganz allein auf mich gestellt; wenn ich scheiterte, würde nicht jemand anderes noch die Chance bekommen, um einzugreifen und meinen Schaden wieder zu richten, nein, dann wäre es wirklich vorbei. Wo war nur Teddy, wenn man ihn schon mal so sehr brauchte?! Und wenn er mich nur in den Armen hielte, um mir Kraft zu geben...
Ich hockte mich schließlich vor ihn hin. „Ganz ruhig!", redete ich auf ihn ein, doch ich konnte es bereits in seinen Augen kommen sehen. Sah er mich überhaupt noch? Ich hoffte, dass er nur mit den Nerven soweit am Ende war, dass er nicht mehr konnte, nein, er durfte mir an dieser Stelle nicht schlapp machen – allein würde ich mich nicht um ihn kümmern können und schon gar nicht um...Nein, nein, nein! Das Kind an seiner Brust hatte einen weinerlichen Gesichtsausdruck angenommen. Nicht jetzt, bitte...Bitte, nur Angst und kein Geweine, nicht jetzt, später gern! Und...waren das Schritte? Waren wir so laut gewesen?! Bitte, nicht auch das noch! Ich konnte nicht einfach mal etwas Glück haben, wieso musste immer alles auf einmal kommen?! Den halb erschlafften Körper des erschöpfen Felix haltend und seinem Sohn immer wieder flehende Blicke zuwerfend, fokussierte ich mich schließlich auf die Ecke, um die die Fremden jeden Moment kommen könnten.
Ich biss die Lippen zusammen, ehe es mich überkam: „Verschwindet, verschwindet, verschwindet, verschwindet, verschwindet...", flüsterte ich immer heftiger vor mich hin, um mich selbst zu beruhigen. Und immer weiter – irgendwann hallten die Worte in meinen Kopf seltsam nach und auch in der Gasse nahmen sie einen seltsamen Klang an. Ich spürte einen frischen Luftzug auf meiner Haut und der leichte Schnee zu meinen Füßen bewegte sich in dem leichten Hauch – bis ans Ende der Gasse, wo die Luft zu flimmern begann, wie das Hitzeflirren über einer Kerze, mit einem leichten, blauen Schimmer. Und als die erste Gestalt um die Ecke trat, dachte ich schon, es sei um uns geschehen – doch die Worte hielten sich beständig an meiner Zunge und drangen mir immer wieder über die Lippen...wie eine düstere Beschwörung hatten sie sich verselbstständigt und ich hatte keine Kontrolle mehr darüber. Sie waren nur noch da – das wichtigste in meinem Kopf...Verschwindet!
Die Begleiter folgten der Gestalt auf dem Fuße, doch sobald sie um die Ecke getreten waren, veränderten sie sich...In ihren Augen blitzte es seltsam blau auf und für einen Moment sahen mir alle Personen direkt in die Augen, es fühlte sich an wie eine Ewigkeit, dann...wandten sie sich um. „Hier ist nichts!" Und sie gingen...Sie gingen einfach davon. Ich war mir so sicher gewesen, dass sie uns gesehen hatten, dass ich mich im ersten Moment nicht rühren konnte – und schließlich nur langsam aus meiner Erstarre erwachte. Mein Kopf fühlte sich seltsam leer an, das Flimmern war verschwunden und ich sank auf der Straße zusammen – neben Felix, den ich immer noch stützte, damit er nicht ganz das Bewusstsein verlor. „Hey", sagte ich und betrachtete ich eindringlich. „Sie...sie sind weg." Ich fühlte mich seltsam ausgeknockt – als hätte ich so eben eine mehrstündige Klausur geschrieben. „Wir...können weiter." Doch ich konnte mich in diesem Moment selbst noch nicht so richtig bewegen und brauchte eine Pause...was auch immer geschehen war, es hatte mir sehr viel abverlangt; und ich spürte etwas Warmes unter meiner Nase. Mit einem Finger tippte ich an die Stelle und stellte fest, dass es sich dabei um Nasenbluten handelte. Doch ich beließ es dabei, wischte es nur mit dem Ärmel meiner Jacke ab."Felix?", fragte ich wieder.
Felix
Gelöschter Benutzer
Re: Billy & Felix ~ Auf der Flucht
von Felix am 12.11.2021 08:51Bei jedem Schritt war es, als stächen Steine durch seine Sohlen hindurch bis ins Fleisch. Jeder Atemzug war, als würde er Feuer atmen, wähend ihm innerlich heiß und gleichzeitig von außen eiskalt war, da der Schweiß ihm an den Schläfen, im Nacken, unter den Achseln, an seinem ganzen Körper entlangperlte und ihn ironischerweise frieren ließ. Seine Muskeln brannten dabei vor Erschöpfung. Seine Augenlider wären am liebsten schon seit Ewigkeiten zugefallen. Doch das alles spielte keine Rolle und durfte auch keine Rolle mehr spielen. Max in seinen Armen war noch ruhig, gab nur hin und wieder leise quengelnde Laute von sich.
Sie erreichten die Stadt ohne Aufsehens. Ohne dass Felix die Aetherianer irgendwo ausfindig machen konnte, obwohl er so paranoid war und alle paar Schritte doch wieder einen Blick hinter sich warf - obwohl ihm fast selbst dazu inzwischen die Kraft fehlte. Er brauchte etwas zu essen und zu trinken. Ein bisschen Energie um weitermachen zu können. Dann würde er auch diesen freundlichen, so unglaublich freundlichen jungen Mann, der ihm half und der ihn unterstützte, nicht mehr länger aufhalten und belasten. Mit nur ein wenig Energie würden sie schon ganz sicher weiterkommen.
Billy. Das war also der Name seines Retters. Felix nahm sich fest vor, ihn in seinen Kopf einzubrennen, diesen Namen. Vielleicht würde er sich eines Tages wirklich bei ihm bedanken können. Okay, zugegeben: das war extrem unwahrscheinlich. Denn siesollte er den jungen Mann jemals wiederfinden, wenn er einmal fort war? Aber egal. Billy. Er würde es nicht vergessen. "Danke, Billy.", sagte Felix also ehrlich. Ja er wusste es. Er hatte sich jetzt wirklich schon zu oft bedankt. Aber es ging nicht anders. So war er nun einmal erzogen worden und die Engel schätzten Respekt und Miteinander sehr hoch. Und so viel wie bei den Aetherianern auch falsch lief... den Glauben an die Engel hatte Felix einfach noch nicht aufgeben können. Es war leicht, aus einer Sekte wegzulaufen... doch auch den Glauben und alles was man dort gelernt, womit man groß geworden war aufzugeben... das war schwierig. Viel schwieriger als Felix jemals gedacht oder vermutet hatte. Es war einfach ein Teil von ihm. Oder zu einem Teil von ihm gemacht worden. Er wusste nicht mehr was stimmte und ob es wirklich einen großen Unterschied machte. Und grade war es ihm auch egal.
Dann geriet schließlich doch noch alles aus dem Ruder. Sicher in der Stadt angekommen war Billy im Supermarkt verschwunden. Und während der Zeit die Felix draußen wartete geschah das, wovor er sich die ganze Zeit gefürchtet hatte: die Aetherianer tauchten auf. Und nicht nur das. Als sie näher und näher kamen, er in Panik verfiel, in die Gasse zurückwich, da konnte er ihre Gesichter erkennen und vor allem eines ganz deutlich. Diesen Mann würde er immer erkennen, schon von weitem. An seinem Gang, seiner Gestik, der Hautfarbe, seinem Lächeln. Ilian. Ilian Thygold.
Ilian.
Es war nicht fair. Es war eine Strafe. Es war eine solche Strafe. Und hier im Dreck hockend, Max an sich gedrückt, während sein überforderter Verstand, sein überfordertes Herz, sein überforderter Körper irgendwie versuchte, diese neue Information zu verarbeiten, wurde ihm mit einem Mal klar, dass er zu ihnen rennen würde, wenn Max nicht wäre. Gäbe es seinen kleinen Jungen nicht, wäre Felix jetzt aufgesprungen, hätte sich Diana genannt, wäre zu ihnen gegangne und hätte Ilian fest in die Arme genommen. Scheiße. Er vermisste ihn. Er vermisste seinen Bruder und Kumpanen, seinen Halt in diesem ganzen Scheiß-Zirkus so dermaßen sehr...
Dann war da plötzlich jemand und für einen Moment war sich Felix sicher, dass er es war. "Ilian!!", stöhnte er, doch dann löste sich das Trugbild auch schon auf, offenbarte ihm, dass es sich in Wahrheit um Billy handelte. Er schluckte. Eine Träne schaffte es tatsächlich sich zu lösen und über seine Wange zu rollen. Rasch wischte Felix sie fort und drückte Max noch mehr an seine Brust. Ihm war so kalt. Und so elend. Und Max jammerte ganz leise. Und er hörte die Schritte kommen. Er hörte sie. Er hörte die Schritte, er hörte die Stimmen, und er sah Ilians Gesicht. Er sie ihm direkt in die Augen. Die Haut um das eine Auge wirkte dunkler als um das andere - und etwas geschwollen. Man hatte ihn geschlagen. Und die Lippe war aufgeplatzt. Ja, man hatte ihn gezwungen zu erzählen. Vielleicht hatten sie ihren Briefaustausch gefunden und dan...
Felix wurde übel bei dem Gedanken was man ilian alles angetan haben mochte um den Verrat zu gestehen. Ihm war schlecht. Ihm war speiübel.
Billys Geflüster hatte er nur aus dem Äußersten Off wahrgenommen, doch es drang zu ihm durch als die Aetherianer verschwunden waren, ohne sie zu erkennen, ohne sie zu sehen. Wie war das nur... wie war... Sein Magen wölbte sich, seine Knie knickten unter ihm zusammen. Er würgte, doch natürlich befand sich zurzeit nichts in seinem Magen, was er hätte erbrechen können. Und so brach er nur keuchend und zitternd zusammen, schweißgebadet und frierend. Seinw irrer Blick suchte den Billys. Er konnte selbst nicht mehr denken. "Sie haben ihn gefoltert..." Seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Und leidend. So leidend.. "Sie haben ihn gefoltert... wegen mir..." Sein Blick driftete ab, starrte vor sich hin. Verschwindet verschwindet verschwindetverschwindetverschwindet... Wie als würden seine Ohren, sein kopf, diese Worte nun völlig verspätet aufnehmen wurde ihm erst jetzt gewahr, was geschehen war. Wieder richtete sich sein Blick auf Billy. Es gab nur eine Erklärung, oder? "Bist du ein Engel?"
Re: Billy & Felix ~ Auf der Flucht
von Jamie am 27.12.2021 22:17Wieder einmal stellte sich heraus, dass ich ohne ein Team alles andere als ein guter Held zu sein schien – denn kaum hatte ich meinen Schützling aus den Augen gelassen, geschah genau das, vor dem ich ihn doch eigentlich hatte beschützen wollen, während ich ihn mit Proviant versorgte, nicht wahr?
Panik kroch in mir hoch, als ich ihn nicht mehr finden – und es wurde auch nicht besser, als ich die Fremden auf der Straße ausgemacht hatte. als würden sie jemanden suchen. Wer was wohl war? Nein, dies war nicht der Moment, um sarkastisch zu sein, stattdessen musste ich handeln. Ich musste die Sache doch noch herumreißen; für mich, für ihn und ganz besonders für sein Kind!
Also machte ich mich auf die Suche, lauschte auf das kleinste Geräusch – auf jeder Ebene. Physisch wie auch mental; auch wenn ich das nicht bewusst beherrschte, wenn ich mich konzentrierte, würde ich ihn damit doch auch ausmachen können, oder? Schöner Gedanke, der mir am Ende allerdings nicht viel brachte, denn ich hatte ihn bereits. Zusammengekauert saß er in der Seitenstraße und hoffte darauf, dass ihn bloß niemand fand. Wie in einer anderen Welt hockte er da, kaum ansprechbar beim ersten Versuch. „Felix", raunte ich immer wieder. „Felix..." Doch er schien mich nicht zu erkennen. Und dann kamen auch noch die Stimmen näher. Panisch warf ich einen Blick über die Schulter – und tat das erste, was mir in den Sinn kam...Eine Sache, der ich nicht einmal einen Namen geben konnte. Hatte ich unbewusst mit ihren Gedanken gespielt? Dass ich sie nicht nur lesen, sondern auch manipulieren konnte? Ich wusste es nicht. Denn weder das eine noch das andere wären das bewusst gewesen, sondern nur ein Reflex, eine Haltung, die immer aktiv war und die ich nicht abstellen konnte.
Und doch...so unbewusst und aus den Tiefen dieses Handeln auch gekommen war, so heftig hatte es auch gewirkt – die Verfolger suchten schnell das Weite, schienen uns nicht einmal bemerkt zu haben. Das war auch der Sinn gewesen, dass es allerdings so nachhaltig und gut funktioniert hatte, freute und schockierte mich gleichermaßen...
Noch immer aufgelöst und durcheinander fasste ich schließlich Felix wieder ins Auge und musterte ihn. Er sah noch immer vollkommen durch den Wind aus – wie konnte man es ihm verdenken! –, doch es schien, als kehrte er langsam wieder auf den Boden der Tatsachen zurück, zurück zu mir in die Wirklichkeit.
Ich schenkte ihm ein vorsichtiges Lächeln. „Wir haben es geschafft...", erklärte ich, schon ein wenig stolz, doch seine Worte überwogen und brachten mich aus dem Konzept. „Ein...?", wiederholte ich halb und meine Augen weiteten sich. Ich wusste gar nicht, was er damit meinte. Wusste er denn nicht, dass es mitunter...? Nun ja, Mutanten und so...Doch am Ende kam es womöglich auf dasselbe hinaus, wie man es auch drehte und wendete. Irgendjemand hatte ihn gerettet, der nicht ganz normal war. Doch ein Engel war ich nicht. Ich war weder himmlisch noch magisch – hatte ich bisher zumindest immer angenommen, auch wenn ich mir das von eben nicht anders erklären konnte. Ich war höchstens etwas dämonisch, im Himmel vermutlich alles andere als Willkommen...Schwul und so. Aber das war jetzt wohl nicht wichtig.
Stattdessen schüttelte ich leicht den Kopf. „Nein", erwiderte ich und runzelte leicht die Stirn. „...hast du dir den Kopf angestoßen oder so?" Vielleicht sah er deshalb so durch den Wind aus. Immerhin schien er auch tagelang nicht mehr viel gegessen und getrunken zu haben. Da konnte man schon mal halluzinieren und fantasieren, wenn es im Kopf durch den Mangel an Flüssigkeit und Nährstoffen nicht mehr rund ging. Ich musterte ihn. Er sah immerhin nicht verletzt aus. Also doch eher zu wenig getrunken und gegessen. Ich merkte es ja schon, wenn ich zu wenig getrunken hatte, wie mir der Kopf schwirrte. Ich wollte gar nicht wissen wie es in ihm aussah. Aber immerhin hatte dieser Moment auch etwas Gutes...Wir waren unsere Feinde erst einmal losgeworden und ich konnte meine kleine Hilfsaktion in Ruhe fortsetzen.
In diesem Sinne kramte ich auch den Beutel hervor und zeigte ihn ihm. „Hier...", sagte ich und öffnete den Beutel. „Ich habe Wasser und etwas Brot und auch für den Kleinen..." Ich warf ihm einen Blick zu. „...eine Kleinigkeit. Ich hoffe, das ist okay." Ich konnte ja nicht wissen wie es mit dem Alter und der Nahrung bei ihm stand. Vielleicht aß er ja noch gar nicht? Ich wusste es nicht. Aber es würder sich ja gleich zeigen. Und immerhin konnte ich mit Brot und Wasser nicht daneben liegen. Vielleicht fand ich wann anders auch noch einmal etwas schöneres für die beiden.
Felix
Gelöschter Benutzer
Re: Billy & Felix ~ Auf der Flucht
von Felix am 28.12.2021 17:12Felix wusste nicht, wo ihm der Kopf stand. Kalter Schweiß bedechte ihn noch richtig, sein Mund war trocken, pappig und von einem ekelhaften galligen Geschmack erfüllt - der Verbleib von dem Versuch, sich zu Übergeben. Er zitterte, vollkommen unkontrolliert. Jede einzelne seiner Muskelfasern schien von einem ganz eigenen Tremor befallen zu sein, der es ihm so schwierig machte, Max nach wie vor an sich zu halten, sich aufzusetzen, sich mit dem Rücken gegen die dreckige Wand neben dem Mülleimer zu lehnen. Er weinte. Er merkte es noch nichtmal, doch nasse Spuren glitzerten durch den Schweiß hindurch auf seine Wangen.
Und doch war er zumindest geistig wieder mehr im Hier und Jetzt, auch wenn sein Verstand noch immer nicht begriffen hatte, was genau eigentlich gerade passiert war. Die Aetherianer waren gegangen. Hatten sie nicht gesehen, obwohl sie doch direkt vor ihnen gewesen waren. Hinzu kam dass seine Gedanken noch immer nur an Ilian hingen. An sein Auge, wie zugeschwollen es gewesen war. Die Lippe. Ds Blut. Oh Engel... oh Engel...
Und das war die einzige Möglichkeit. Billy musste ein Engel sein! Nicht wahr? Er hatte sie vor den Blicken der Aetherianer mit seinen Worten verborgen. Bedeutete das, dass... dass... was bedeutete es? War Billy hier, um sich um Max zu kümmern. Um dafür zu sorgen, dass das Kind wirklich heilig erzogen wurde? Oder würde er Max mitnehmen, mit den zu den Engeln, als Auserwähltes Kind? Es musste doch etwas derartiges sein, nicht wahr? Würde er sie begleiten wollen? War es das, was im Heiligtum geschah? Dass ein Engel kam um das Kind vorzubereiten und zu begleiten auf dem Weg zu seiner höheren Aufgabe? Das machte doch Sinn. Aber weshalb hatte er sie verborgen? Müssten die Engel nicht wollen, dass er zurück zu den Aetherianern kam? Und...
Nein. Billys Antwort durchbrach Felix' wirre Gedanken und fast schon ein wenig ungläubig starrte er den Jungen an. "Nicht... aber... aber dann... wie..?" Wieder glitt sein Blick zum Ausgang der Gasse, dorthin, wo eben noch Ilian gewesen war. Ilian. Schon wieder drückten sich ohne Vorwarnung Tränen in seine Augen, der Druck erhöhte sich und eine Träne löste sich, lief rasch und schnell seine Wange hinunter. Schwer schluckte er. Das war schlimmer als alles andere. Schlimmer als alles, was die Aetheriander ihm hätten antun können. Wenn Max nicht wäre.. oh wie wäre er ihnen sogar hinterhergerannt.. nur um wieder bei Ilian zu sein, seinem besten Freund, seinem Halt. So etwas hatte er nicht verdient gehabt, niemals. Und es war ganz allein seine Schuld...
Felix schüttelte den Kopf. "Nein...", flüsterte er. Energielos. Alle Kraft hatte ihn verlassen, er war praktisch in sich zusammengefallen, selbst zum weinen zu schwach. Nein, er hatte sich nicht den Kopf gestoßen. Aber... er konnte einfach nicht mehr. Es war einfach zu viel geworden alles...
Mit einer zitternden kalten Hand nahm Felix das Wasser, versuchte es zu öffnen und scheiterte dich. Da war keine Kraft mehr. "Danke...", noch immer flüsterte er. Es war fast nur ein Hauchen. "Könntest du...?" Er ließ den Satz unvollendet, gab dem freundlichen jungen Mann die Wasserflasche und nahm stattdessen das Brot, wo er sich direkt ein Stück abriss und einfach in den Mund stopfte. Sofort produziere sein Körper Unmengen an Speichel. Er kaute ein paar Mal, schluckte und stopfte sich das nächste Stück hinein. Er schloss die Augen, hatte das Wasser schon wieder ganz vergessen. Max lag auf seinem Bauch. Alles wurde dumpf, fast schon wattig um ihn herum und Felix spürte, wie all die Anstrengung, der Energie-, Nährstoff- & Schlafmangel, seinen Tribut forderten.
Er glitt hinweg..
Re: Billy & Felix ~ Auf der Flucht
von Jamie am 15.01.2022 22:05Ich betrachtete ihn mit gerunzelter Stirn und einem sorgenvollen Blick. Er wirkte so sehr am Ende und auch seine Gedanken waren seltsam fern und wirr. Sie drehten sich um wenige Themen und hingen vor allem dem Moment von eben an...seinen ehemaligen Leuten - besonders einem...Ilian, doch in seine Gedanken gaben wenig Aufschluss darüber, was es mit ihm und ihrer gemeinsamen Geschichte auf sich hatte – und an das, was ich getan hatte. Und es durch seine Gedanken zu hören und zu sehen, ließ es auch für mich noch einmal sehr viel seltsamer erscheinen...Ich konnte es mir nicht erklären und gleichzeitig hatte es sich so natürlich und selbstverständlich angefühlt. Ein Teil von mir, der sich nur langsam bemerkbar machte, es aber nun endlich einmal geschafft hatte und mich auf sich aufmerksam gemacht hatte.
„Nein...", bestätigte ich noch einmal und schüttelte noch einmal bekräftigend meinen Kopf. Auch wenn ich das, wenn ich einmal ganz ehrlich war, auch nicht wüsste, wenn es so wäre, oder? Man konnte ja vieles sein, ohne es eigentlich zu wissen, nicht wahr? Man hatte ja schon einige Mal davon gehört – bei so manchen unserer tollen Superhelden war erst langsam herausgekommen, was es eigentlich mit ihnen auf sich hatte, anfangs wussten sie es nicht einmal selbst...Aber ein Engel? Das war ich nun wirklich nicht – und das in gleich mehreren Beziehungen und Bedeutungen des Wortes. „Nein", flüsterte ich noch einmal. Zum einen, um meine Antwort an ihn zu bekräftigen, zum anderen als Antwort auf meine eigenen Fragen in meinem Kopf, die ich mir dazu stellte. Nein, ich konnte kein Engel sein, wirklich nicht. Nein.
Nein. Aber was war es dann...?
Für diese Frage war dies wohl nicht der richtige Moment und ich schob sie schnell beiseite, schüttelte leicht und kaum merklich den Kopf für mich selbst. Kein Engel, aber irgendetwas anderes. Das reichte fürs Erste.
Und so nickte ich. Er war also nicht verletzt, erlitt nur die Folgen der Anstrengungen der letzten Zeit. Irgendwann brach auch der stärkste von uns zusammen. Ich bat ihm etwas Wasser und auch Brot an und hoffte, dass es jedenfalls für den Moment etwas brachte. Natürlich öffnete ich ihm die Flasche – es war ihm anzusehen, dass er es nicht schaffte. Und das nicht nur aufgrund seiner körperlichen Verfassung, sondern auch wegen seiner Psyche. Er war gerade mit so vielen Dingen beschäftigt, da ließ auf einmal auch alles nach. Als er kaute wirkte er schließlich auch etwas zufrieden und ich lächelte leicht, wenn auch besorgt. Er gefiel mir nicht, ganz und gar nicht. Doch ich wusste auch nicht, wie ich ihm helfen sollte, dabei dachte ich doch bereits darüber nach. Er müsste jetzt eigentlich nur noch irgendwo unterkommen, sich ausruhen, einmal ausschlafen, das würde für den Moment sicher reichen, damit er wieder auf die Beine kommen konnte, aber in diesem Augenblick sah es leider ganz und gar nicht so aus, als würde er überhaupt noch hier aus der Gasse kommen. Und tragen konnte ich ihn nicht...
Noch während ich darüber nachdachte, glitt er noch weiter an der Wand herunter. Hatte er gerade noch gezittert, war er nun ganz still. Seine Augen waren ihm zugefallen und er reagierte nicht mehr. „Felix...Felix?", fragte ich schockiert und rückte etwas näher, versuchte, ihn noch irgendwie zu halten. „Felix..." Sein Junge wurde nun etwas nervös. Oh Gott, nicht nur Felix, der nicht mehr bei mir war, sondern auch noch sein Kind, das Angst hatte und das es zu trösten galt. Ich war kein guter Babysitter. Ganz und gar nicht. Kinder mochten mich nicht und auch wenn, zugegeben, selbst Kinder nicht unbedingt mochte, konnte ich erst recht nicht mit ihnen umgehen! Meine Hände zitterten und ich begann zu schwitzen, was in der Winterkälte im dicken Mantel alles andere als angenehm war. Was sollte ich denn jetzt tun?! Mein Herz raste und ich versuchte immer noch, ihn irgendwie wach zu rütteln, doch es machte alles keinen Sinn. Er war so k.o., er war nicht mehr bei mir. „Felix..." Mit den Fingern tastete ich seinen Puls am Hals, er war schwach, aber immerhin an. „Heile...", flüsterte ich schließlich. „HeileHeileHeileHeileHeileHeile..." Blaues Licht leuchtete um meine Finger und eine seltsame Wärme durchfuhr mich und ich spürte wie sie direkt in meine Hand an seinem Hals wanderte und von dort in ihn überging...Die Gefäße unter der Haut schimmerten bläulich, als das Licht tiefer in seinen Körper wanderte. Ich konzentrierte mich darauf, es ihm leichter zu machen, damit er schneller wieder zu sich kommen konnte. „HeileHeileHeileHeile..."
Felix
Gelöschter Benutzer
Re: Billy & Felix ~ Auf der Flucht
von Felix am 19.01.2022 21:27Alles dröhnte. Schwere Dunkelheit umgab ihn, als hätte jemand ein Leichentuch über seinem Körper ausgebreitet. Erst war es störend, erstickend, als würde er keine Luft mehr bekommen, als würde es ihn erwürgen, ihn des Lebens berauben wollen. Doch dann gewöhnte er sich an diese Dunkelheit - der Druck verschwand. Es war nicht länger unangenehm, nichts wogegen er ankämpfen wollte, es war... befreiend. Er fand kein besseres Wort dafür. Ruhig und behaglich war es, warm, angenehm, sorgenlos. Ohne Anstrengung und Erschöpfung, ohne Hunger und Durst oder den Drang nach der Stimulanz. Er schwebte dahin, ein seichtes Lächeln zeichnete sich in der Relaität auf seinem erschöpften Gesicht ab, wo unter den Lidern nur ein wenig des weißen Augapfels hervorlugte. Es war schön hier. Angenehm. Er könnte ewig...
Doch dann war da etwas. Es war, als spürte er dass irgendwo jemand ein Licht entzündet hatte. Er konnte es nicht sehen, nach wie vor war da nur die Schwärze, doch er spürte dass diese Helligkeit näher kam. Näher und näher, ihn sogar bald erreicht hatte. Auch das war nicht unangenehm. Im Gegenteil. Ein Teil davon sehnte sich danach, so sehr, der andere Teil hatte Angst, was geschehen würde, wenn es ihn erreichte, wollte diese Schwerelosigkeit nicht wieder aufgeben - und einen Moment später hatte dieses etwas, dieses unsichtbare warme einhüllende Licht ihn erreicht..
Felix hustete. Alleine seine Glieder schmerzten vor Anstrengung, Muskelkater und Erschöpfung. Einfach von völliger Verausgabung. Kalter Schweiß klebte seine Kleidung an seine Haut und ließ ihn frieren. Er öffnete die Augen. Und gleichzeitig strömten plötzlich die Geräusche der Welt um ihn her wieder auf ihn ein. Das konsequente Murmeln Billys, das leise Jammern von Max', ferne Schritte, irgendwo das Bellen eines Hundes. Der Vater schluckte schwer und richtete sich langsam auf. Seine Augen trafen die Billys. "Du hast mich gerettet.", stellte er leise fest. Ohne Angst, ohne Verwunderung, es war... es war eine Feststellung. "Du bist wahrlich ein Engel." Er wusste nicht, weshalb, aber er war unendlich dankbar, dass die Göttlichkeit diesen Engel zu ihm gesandt hatte. Was das bedeuten mochte für Max, das auserwählte Kind, für ihn oder die wahre Verbindung der Engel mit den Aetherianern vermochte er im Augenblick noch nicht zu deuten. Erstmal war er einfach nur vollkommen inständig und unendlich dankbar, dass der Engel auf seiner Seite zu schien. Und dieses tiefste aller Gefühle drückte er in einem einzigen Wort aus. "Danke." Kurzerhand legte er einen Arm um Billy und zog ihn an sich. Eine kurze, aber ehrliche, so unglaublich tiefgehende Umarmung, wie er sie selten gehabt hatte. Tatsächlich fiel ihm nur eine andere Situation ein, in der er so dankbar gewesen war: und das war, als er die Aetherianer verlassen und Ilian ihn verabschiedet hatte. Ihn hatte ziehen lassen. Ihm sogar geholfen hatte. Ewig würde er ihm dafür dankbar sein. Sofort tauchte Ilians geschlagenes Gesicht von vorhin wieder in seinem inneren Auge auf. Er musste ihm helfen! Das war er ihm schuldig!! Wenn er nur wüsste wie...
Aber erst einmal musste er wieder zu Kräften kommen, vielleicht... vielleicht würde ihm dann eine Idee kommen.
Er ließ Billy wieder los, hielt eine Hand aber noch an dessen Arm. "Kannst du... mir aufhelfen?", fragte er, schämte sich fast ein bisschen für diese Frage, aber er wusste im Augenblick allen ernstes nicht ob seine erschöpften Beine stark genug wären, ihn zu tragen. Gemeinsam mit Max würde er jetzt irgendwo einen sicheren Ort zum schlafen finden müssen, und dann würde die Welt schon wieder anders aussehen. Er würde Max in Sicherheit lassen - am besten bei diesem Engel und irgendwie versuchen Ilian zu helfen - oder überhaupt erstmal herauszufinden, ob er die Hilfe überhaupt wollte (damals hatte seine Treue letztlich auch immer noch den Aetherianern gegolten. Er hatte ihn nicht begleitet auf der Flucht, obgleich Felix es ihm angeboten hatte). Aber eins der Reihe nach.
Ein Schritt nach dem Andern... "Kennst du... zufällig einen Ort, wo wir uns ausruhen könnten?"
Re: Billy & Felix ~ Auf der Flucht
von Jamie am 06.03.2022 17:21Während ich die Worte immer wieder vor mich hin flüsterte und mich auf die Wärme in meinen Fingern konzentrierte, hatte ich meine Hand auf seine Brust wandern lassen und sie flach über seinem Herzen abgelegt. Ich starrte auf meinen Handrücken und spürte, dass ich – zumindest physisch – zu träumen begonnen hatte...stierte nur noch vor mich hin, ohne zu sehen. In meinem Kopf war ich dabei nur auf diesen Moment fixiert und wie ich die Hitze meines Körpers in den seinen brachte, denn ich wusste, dass es ihm half...ich konnte nicht sagen, woher ich diese Weisheit nahm, doch ich war mir sicher, dass es so war – ich konnte es spüren. Ich spürte, wie die Wärme mit dem Licht in seinen Körper drang; das feine Blau, das sich zwischen meinen Fingern bewegte und rankte, schlich sich durch seine Kleidung in seine Brust. Dabei konnte ich nicht genau bestimmen, wie lange ich eigentlich so da saß, über ihn gebeugt und meine Hand an seine Brust gepresst...wie eine Herzdruckmassage...ohne Bewegung. Doch bald bemerkte ich, dass ich seinen Herzschlag spüren konnte, stärker werden und ich spürte, wie sich die Wärme in seinem Körper ausgebreitet hatte und...er wieder zu mir zurückkehrte...Und da: Er regte sich.
Noch einige Zeit flüsterte ich weiter, bis er die Augen aufschlug und zu mir aufsah. Meine Worte erstarben und ich zog meine Hand von seiner Brust – das Licht kringelte sich noch einen Moment warm und lebendig um meine Finger, ehe es erstarb und das Glühen in meiner Haut erstarb.
„Ich...äh", setzte ich zu einer Antwort an, ohne überhaupt zu wissen, worauf ich hinausgewollt hatte. „Nein", brachte ich dann heraus, die Worte kamen aus mir herausgeplatzt. Ich...hatte ihn nicht gerettet...oder? Ich wusste es nicht, ich konnte es nicht sagen. Ich hatte aus dem Gefühl heraus gehandelt und etwas versucht, dass bisher nur wenige Male wirklich funktioniert hatte, etwas getan, das mich in letzter Zeit allerdings öfter überkommen hatte: Der Wille, etwas zu verändern. Und wie ferngesteuert hatte ich genau im Kopf, was ich tun musste, um es zu erreichen...Doch dieses Wissen war meinem Bewusstsein verborgen – immer nur in Notfällen war es aus mir herauszuholen. Ich konnte nichts dazu sagen, ich konnte nur darüber nachdenken, was ich getan hatte – und..dass ich ihn damit aus seiner Ohnmacht zurückgeholt hatte. „Ich...ich weiß nicht, ob ich dich gerettet habe", flüsterte ich deshalb schließlich und konnte ihm dabei nicht direkt in die Augen sehen. Viel zu abgelenkt war ich von den Gedanken an das, was eben geschehen war – gleich zweimal in so kurzer Zeit...Ich fühlte mich so seltsam ausgelaugt. Ich lehnte mich etwas zurück gegen die Wand. Ich brauchte einen Moment, wie ich nun feststellte.
„Danke mir nicht", bat ich kurz darauf und schüttelte den Kopf.
Einige Zeit verging, ehe ich mich selbst wieder etwas gefangen hatte – in der Zeit hatten wir geschwiegen, um uns herum nur die Szenerie und die Geräusche einer erwachenden Kleinstadt an einem Wochenende...und ein Kind an seinem Körper, das leise vor sich hin quengelte. Und ich atmete tief ein und dann wieder aus, ehe ich mich wieder auf die Beine brachte, nachdem ich kurz noch neben ihm hocken blieb. Mein Atem schwebte in fetten Schwaden an meinen Augen vorbei in den Himmel – nach der Anstrengung war weißer und starrer als noch zuvor. Ich schwitzte und gleichzeitig war mir kalt in meiner winterlichen Kleidung – es wurde Zeit, wieder an einen anderen Ort zu gehen. „Natürlich", erklärte ich deshalb und reichte ihm eine Hand, griff ihm mit der anderen um den Rücken. Mit vereinten Kräften schafften wir es, ihn auf die Beine zu bringen – er wirkte instabil, deshalb stützte ich ihn weiter. Und ich nickte. „Ich hoffe es", erwiderte ich und warf ihm einen Blick von der Seite zu. Wenn ich ehrlich war, dann eigentlich auch nicht. Ich könnte ihn mit in die Unterkunft nehmen, doch es würde sehr schwer werden, das meiner Familie zu erklären...Also war das schon mal nicht möglich. Und erst einmal zu einem Arzt? Auch das war nicht die beste Idee – und auch nicht nötig. Ich meinte, das schlimmste behoben zu haben und nun brauchte es noch Zeit, in der er sich ausruhen und sich selbst wieder fangen konnte...mit Essen und einer Auszeit. Gab es vielleicht irgendwo ein heruntergekommenes Haus...das nicht auffiel und wo man mal schnell unterkommen konnte, ohne dass es jemandem auffiel? Denn wenn jemandem etwas auffallen sollte, würde das sicher seine Verfolger wieder auf die eine oder andere auf den Plan rufen...Jeder, der also von seiner Anwesenheit wusste, stellte also eine potentielle Gefahr dar...
Doch dann...Ich richtete mich kerzengerade auf, als wir gerade an eine Straßenecke gekommen waren; ich hatte ein seltsames Rauschen auf dem linken Ohr...Nachdenklich sah ich die Straße hinunter, aus der es zu kommen schien. Das Flüstern wurde erregter. Kurz kniff ich die Augen zusammen und versuchte, eine mögliche Quelle zu finden, doch bis auf ein Haus mit einigen leer stehenden Wohnungen konnte ich nichts...Meine Augen weiteten sich. In dem Haus schienen nur wenige Menschen zu wohnen, die anderen Wohnungen waren leer – ich nickte mit dem Kopf in die Richtung. „Komm", erklärte ich und schleppte ihn mit mir. Das Haus hatte mehrere Eingänge – einer, die Seite, wo niemand mehr zu wohnen schien, stand halb offen. Es roch muffig und nach Staub, doch...es war gemütlich auf seine Weise. Es war warm und geschützt und eine der Wohnungen schien erst seit Kurzem leer zu sein; es wirkte aufgeräumt und sicher. Ich setzte ihn erst einmal auf einen Sessel und achtete darauf, dass auch sein Kind vorsichtig abgesetzt werden konnte. „Würde...das erst einmal funktionieren?", fragte ich zögerlich. Etwas Besseres war mir jetzt nicht aufgefallen. Ich ließ den Blick schweifen – das Flüstern hatte aufgehört, doch es wirkte auf eine Frage zufrieden...wenn man es so nennen konnte.
Felix
Gelöschter Benutzer
Re: Billy & Felix ~ Auf der Flucht
von Felix am 07.03.2022 17:04Felix war noch nicht gänzlich wieder ind er Realität angekommen. Alles wirkte noch so unwirklich, die Dunkelheit schien ihm nach wie vor real, obgleich sie mit jeder verstreichenden Sekunde weiter von ihm wegzugleiten schien. Und ihm war klar, dass er dies Billy zu verdanken hatte. Was auch immer er getan hatte - obwohl... doch, Felix wusste was er getan hatte. Schließlich hatten die Engel ihre ganz eigene Art der Magie, das hatte er von den Aetherianern gelernt, seit er in diese Sekte hineingebracht worden war. Sie kommunizierten mit Musik, bildeten den Fluss des Universums, so oft hatte er es gespürt wenn er mithilfe der Stimulanz auf der Ebene der Engel schwebte. Und das eben... es hatte sich beinahe genauso angefühlt. Ohne die durcheinander wirbelnden Farben, doch genauso geborgen und sicher, es hatte etwas vertrautes gehabt. Jeder Zweifel daran, dass Billy kein Engel sein könnte, war ausradiert worden. Egal was Billy nun sagte, egal wie starr er behauptete, er hätte ihm nicht geholfen oder wisse es zumindest nicht. Es spielte keine Rolle. Felix wusste es. "Doch. Das hast du.", sagte er ruhig und ernst, und blickte ihm mit seinen hellbraunen Augen direkt in die Seinen. Augen, aus denen die purste Dankbarkeit sprach. "Und das muss ich. Danke." Er musste sich bedanken. Er konnte das nicht so einfach stehen lassen - er hätte hunderte Grüdne dafür aufzählen können. Noch nie war er einem Engel leibhaftig begegnet. Natürlich war das letztlich irgendwie immer der Wunsch und der Sinn des Treibens um Felix gewesen. All die Austreibungen, die Riten, der immer wieder stattfindende Exorzismus. Alles war immer nur dafür gewesen, dass Felix auserwählt werden möge. Es war nie geschehen. Doch nun stand - oder vielmehr saß - er einem leibhaftigen, Mensch-gewordenen Engel tatsächlich gegenüber. Was sollte er tun? Er wollte seine Freundlichkeit nicht ausnutzen, andererseits wäre es womöglich unhöflich, seine Hilfe abzulehnen. Keinesfalls wollte er die Engel kränken.
Zunächst einmal beschloss er, die Hilfe anzunehmen, solange er noch nicht selbst wieder klarkam. Danach... danach müsste er weitersehen. Sein Kopf war gerade zu beschäftigt um sich mit allem was geschehen war mehr auseinander zu setzen. Über das was es bedeuten würde, über das, was alles noch bevorstand und getan werden müsste, über Verhalten und Beziehungen und sonstige Dinge. Alles was Felix jetzt erstmal brauchte war ein sicherer Unterschlupf, wo er schlafen und Max füttern konnte. Dann.... dann würde er weitersehen...
Nach einer Weile des gemeinsamen Schweigens sammelte Felix schließlich seine Kräfte. Er musste aufstehen, wusste allerdings nicht, ob er dies alleine schaffen würde. So nahm er Billys Hilfe dankbar an, sich auf die Beine ziehen zu lassen. Max war fürchterlich schwer in seinen Armen - es kam ihm vor wie ein Felsbrocken, dennoch hielt er ihn mit nur einem Arm fest, während er den anderen um den Engel gelegt hatte. Die Tragegurte seiner Hartschalen-Geigentasche schnitten ihm schmerzhaft in die Schultern. Er brauchte nur noch Ruhe. Er sehnte sich so sehr nach ein wenig Ruhe.
Langsam setzten sie sich in Bewegung, raus aus der Gasse in Richtung Straße. Felix hinterfragte die Richtung nicht. Er vertraute den Engeln. Obgleich er sich von den Aetherianern abgewendet hatte, hatte er es nie geschafft den Glauben an die Engel zu verlieren, welcher ihm derart eingetrichtert worden war. Er glaubte an sie, jetzt mehr denn je. Durch Billys Erscheinung allein. Entsprechend folgte er ihm mühsam, setzte irgendwie einen Schritt vor den Anderen, wobei sich seine Füße wie aus Blei gegossen anfühlten. Hin und wieder stolperte er fast, hielt Max dabei mit verzweifelten allerletzten Kraftreserven irgendwie an sich um ihn ja nicht loszulassen, während sie sich nun einem Haus auf der verlassenen Straße näherten.
Nach einer Zeit die ihm wie eine kleine Unendlichkeit vorkam, hatten sie eine leere, offenbar verlassene Wohnung erreicht. Felix nahm es kaum mehr wahr und ließ sich erleichtert in einen fremden Sessel fallen. "Ja... ja, vielen vielen Dank", murmelte Felix endlich. Wie gerne hätte er seine Augen geschlossen... doch vorher musste er...
Er holte Luft, setzte Max dann auf seinen Schoß und nahm die Nahrung, welche der Engel besorgt hatte. Mit dem Löffel, der zum Glück ebenfalls in der Packung war, begann er sein Baby zu füttern. Max schmatze glücklich, schien aber bald ebenfalls müde zu werden. Mit einem leisen Stöhnen setzte Felix seinen Geigenkoffer neben sich ab auf den Boden, hielt Max noch ein wenig auf den Armen und klopfte ihm sanft auf den Rücken, damit er sein Bäuerchen machten konnte, ehe er dann auch schon nach hinten sank. "Ich muss nur kurz...", murmelte er, aber da waren seine Augen auch schon zugefallen und er, gemeinsam mti dem Baby auf seinem Bauch, welches einen Daumen in den Mund gesteckt hatte, eingeschlafen.